30. Juli 2012

Bossing in Weinheim

Management und BR-Mehrheit feuern kritisches BR-Mitglied- Aktuelle Gerichtstermine

 

Die Betriebsratswahl hat er gewonnen, unbequem ist er schon immer, deshalb beliebt bei Belegschaft (über 800 Beschäftigte arbeiten im Stammwerk) und gefürchtet bei Managern und Mauschlern. Die Rede ist von Helmut Schmitt, dem Vorsitzenden der Weinheimer Ortsgruppe der Gewerkschaft IG BCE. Obwohl oder gerade weil er 2010 die mit Abstand meisten Stimmen bei der Betriebsratswahl der Firma für Bodenbeläge, nora-systems, auf sich verbuchen konnte, wird er seitdem vom Management unter Druck gesetzt. Mit einer Klage gegen ihn, die jedoch so abwegig war, dass ihr in der Verhandlung ganz schnell die Luft ausgegangen ist und mit einer Doppel-Abmahnung, die mit einer Doppel-Niederlage der Geschäftsführung endete. Jetzt wurde er als Gipfel des Ganzen fristlos gekündigt. Die Begründung: Helmut Schmitt habe auf der letzten Betriebsversammlung Unwahrheiten verbreitet, indem er Missstände im Betrieb und Betriebsrat angeprangert habe. Dadurch habe er den Betriebsfrieden massiv gestört. Dies wird vor dem Arbeitsgericht zu klären sein.

 

Mit der gleichen Argumentation hat jetzt die BR-Mehrheit ein Ausschlussverfahren aus dem BR angestrengt. Und schickt dem antigewerkschaftlichen Bossing von oben noch einen weiteren unkollegialen Kinnhaken hinterher. Schon bisher war die Rolle der Betriebsratsmehrheit bei den ehemaligen Freudenberg Bausystemen mehr als peinlich. Es begann damit, dass man dem Kollegen Schmitt  die Mitarbeit in der BR-Führung oder als freigestelltes Betriebsratsmitglied verweigerte. Danach wurde er, um ihn zu isolieren, aus bestimmten BR-Ausschüssen entfernt. Am 29.6. 2012 beschloss die Mehrheitsfraktion im Betriebsrat ein Amtsenthebungsverfahren gegen Helmut Schmitt. Als Begründung wurde eine angebliche Beleidigung von BR-Mitgliedern angeführt. Weil seine Gegner befürchten, dass auch dieses Verfahren vor dem Arbeitsgericht für sie verloren geht, erhielt er zusätzlich am 1.7. die fristlose Kündigung.


Dass die Mehrheit im BR ihre Zustimmung gab, ist ein Skandal.

 

Denn durch die Zustimmung des Betriebsrats wird die persönliche Situation von Helmut Schmitt prekär, da z.B. die Lohnzahlung sofort eingestellt wird und nicht, wie bei einem Widerspruch des BR, bis zum Tag der Urteilsverkündigung weitergezahlt werden muss. Und bis zum Prozessende und damit der zu erwartenden Rückkehr Helmuts in den Betrieb, wird einige Zeit vergehen. Am schlimmsten ist aber, dass die nora-Belegschaft in dieser Zeit ihren wichtigsten Fürsprecher verliert, der z.B. auch die anstehenden Verkaufsverhandlungen des Unternehmens in ihrem Interesse kritisch begleiten sollte. Dazu ein Hintergrundbericht hier.

 

Das Management und auch die BR-Mehrheit schießen mit dieser Aktion ein volles Eigentor. Denn ein bundesweiter Skandal, der in Presse und Internet diskutiert wird, beeinflusst die Preisverhandlungen beim beabsichtigten Verkauf der Firma sicher nicht positiv. Eine erste Solidaritätsaktion hat am 17.7. vor nory-systems stattgefunden. Ein Solidaritätskomitee (aktuelle Informationen auf der eigenen Homepage hier) hat sich gebildet. Die Kontaktadresse des Komitees lautet:  Industriepfarrer i.R. Martin Huhn, Ludwig-Richter-Str. 6, 68163 Mannheim, E-Mail: solihelmut@nullweb.de. Ein Solidaritätskonto ist eingerichtet: Maria Rigot, Konto-Nr. 356 412 752 , Postbank Karlsruhe, BLZ  660 100 75, Kennwort „Solihelmut“.

Die ersten Gütetermine bei Gericht erbrachten erwartungsgemäß keine Einigung.