31. Juli 2012

Datenschutz im Betrieb: Gesetzentwurf legalisiert Skandale

Der Protest gegen einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum betrieblichen Datenschutz wächst. Er scheint wie von Anwälten und Geschäftsführungen diktiert, die das Ausspitzeln von Arbeitnehmern im Betrieb zum “üblichen” antigewerkschaftlichen Kampfmittel perfektioniert haben. Deshalb hier eine Information der IG Metall:
“Noch ist nichts entschieden beim Arbeitnehmerdatenschutz. Doch was zurzeit in in den Ausschüssen des Bundestags verhandelt wird, lässt Gewerkschafter das Schlimmste befürchten. Deshalb fordern sie: lieber kein Gesetz als dieses.

Nach den Skandalen bei Lidl, Deutsche Bahn, Telekom und anderen großen Unternehmen stieg der Druck auf die Politik, Arbeitnehmer besser vor Überwachung am Arbeitsplatz zu schützen. Doch statt ein eigenes Gesetz auf den Weg zu bringen, wie es Gewerkschaften schon seit langem fordern, will die Regierung das bestehende Datenschutzgesetz lediglich um einige Paragrafen erweitern.

Gewerkschafter und Rechtsexperten haben in den letzten Monaten ihre Kritik an der geplanten Gesetzesänderung geäußert. Doch bislang signalisiert die Regierung keinerlei Bereitschaft, die Bedenken aufzugreifen und den Gesetzentwurf entsprechend zu ändern. Im Gegenteil: Bei der Suche nach einem Kompromiss sind die Parteien aus Sicht der Gewerkschaften von einem Arbeitnehmerdatenschutz weiter entfernt als zuvor. So stand bislang im Entwurf, dass das Gesetz durch Betriebsvereinbarungen nicht unterschritten werden kann. Nun gibt es Pläne, auch das zu ermöglichen.

Gesetzentwurf bietet Arbeitnehmern keinen Schutz

Unter Gewerkschaftern wächst der Widerstand gegen diese Pläne. Mehr als 2000 Betriebsratsgremien haben sich inzwischen der Forderung des DGB angeschlossen, auf die Paragrafen zum Arbeitnehmerdatenschutz zu verzichten. Thomas Klebe, Justiziar der IG Metall, warnte bereits vor Monaten davor, den Gesetzentwurf in geltendes Recht umzusetzen. Der Entwurf schütze keineswegs Arbeitnehmer vor ihrer Überwachung am Arbeitsplatz. Er schaffe vielmehr Rechtssicherheit für Arbeitgeber, die Daten ihrer Beschäftigten zu nutzen und möglicherweise auch zu missbrauchen. “Der Gesetzentwurf legalisiert die meisten Datenschutzskandale der letzten Zeit”, sagt Klebe.

Der Gesetzgeber räumt Arbeitgebern in dem Entwurf weitreichende Rechte ein, ihre Beschäftigten zu überwachen. Offene Videoüberwachungen sollen danach ohne Anlass und zeitlich unbegrenzt erlaubt sein. Ebenfalls möglich: die anonyme Rasterfahndung. Arbeitgeber könnten ihre Beschäftigten jederzeit anonym durchleuchten und in Verdachtsfällen die Daten auch wieder einer Person zuordnen. Dabei entscheidet allerdings der Arbeitgeber, was ein Verdachtsfall ist.

Besonders heikel findet Thomas Klebe die Möglichkeit, Daten zur Aufdeckung von Straftaten benutzen zu können. “Damit werden Arbeitgeber zum Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft, aber die Beschäftigten haben ihnen gegenüber kein Zeugnisverweigerungsrecht.” Für Straftaten sind auch im Betrieb die Ermittlungsbehörden zuständig.

 

Der DGB schlägt einen Protestbriefe an Abgeordnete des Bundestages vor. Hier eine Mustervorlage:

Sehr geehrte Frau Abgeordnete/sehr geehrter Herr Abgeordneter:
Am 23.5. wurde in einer Expertenanhörung vor dem Innenausschuss der Entwurf zum §32 BDSG – das neue Beschäftigtendatenschutzgesetz – diskutiert. Ich halte diesen Entwurf für eine massive Einschränkung meiner Grundrechte. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung soll im Betrieb nicht gelten. Unter anderem sollen verdachts- und anlassloses Massenscreenings möglich sein. Dies ist nach dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung rechtswidrig. ist eine Videoüberwachung ohne konkreten Anlass und ohne zeitliche Eingrenzung zulässig, sofern sie mit offen sichtbaren Kameras erfolgt. Auch heimliche Videoüberwachung ist nach wie vor möglich. Dies ist ein massiver Eingriff in mein Persönlichkeitsrecht. Nach EU-Recht darf sich jeder Arbeitnehmer bei der zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde über Verstöße gegen das Datenschutzgesetz direkt beschweren. Dieser Entwurf sieht allerdings vor, dass zuerst der Arbeitgeber informiert werden muss. Dies kann je nach Art des Missstandes unzumutbar sein.  Wie stehen Sie zu diesem Entwurf? Sind Ihnen die Einwendungen der Bundes- und Landesdatenschützer, Betriebsräte, Gewerkschaften bekannt? Wie kann der Innen-Ausschuss ein Gesetz mit solch einer Tragweite für die Beschäftigten beurteilen? Inwieweit haben Arbeitgeberverbände in der Entstehungsphase an diesem Gesetz mitgewirkt? Der vorliegende Entwurf ist zu Lasten der Beschäftigten und ihrer Interessen und kommt alleine den Arbeitgeberinteressen entgegen! Ich fordere Sie deshalb auf, die sachgerechten Forderungen der Datenschützer und Arbeitnehmer-Interessenvertretungen aufzunehmen und gegen diesen Entwurf zu stimmen.
Mit freundlichen Grüßen

 

Initiative für einen echten Arbeitnehmerdatenschutz

Nach der Sommerpause will der DGB eine weitere Initiative für einen echten Arbeitnehmerdatenschutz starten. Sollte die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf in die Tat umsetzen, muss die IG Metall über die Betriebe gehen. “Dann werden wir alle unsere Möglichkeiten nutzen, um den Datenschutz über Betriebsvereinbarungen zu verbessern.”