Spitzelsoftware gegen BR unzulässig – Hintergrundanalyse erschienen

Wer in Augsburg und Umgebung Brot oder Brötchen kaufen will, kommt an der “Landbäckerei Ihle” nicht vorbei. Mit 3.000 Beschäftigten, 500 in der Bäckerei, 2.500 (darunter viele Teilzeitkräfte) in den Verkaufsstellen, haben die Gebrüder Ihle Gewicht in der Branche. Aber nicht nur dort. In der Stadt, bei den Rotarier, in der CSU gelten ihr Wort und so manche Spende ebenfalls.

 

Das Unternehmen ist in den letzten Jahren heftig expandiert, die Arbeitsbedingungen haben, so berichten Beschäftigte, mit diesem Fortschritt nicht recht mitgehalten. Häufiges Chaos in der Produktion, Durcheinander in der Arbeitszeitorganisation gerade auch bei den vielen Verkaufsstellen seien an der Tagesordnung. Der Krankenstand sei entsprechend hoch, mit vielen Leiharbeitern versuche das Unternehmen die Probleme abzufangen. Dabei ist den Eigentümern anscheinend der Betriebsratsvorsitzende der seperat geführten Bäckerei ins Visier geraten. Der arbeitet nämlich mit seinen Kollegen daran, die genannten Mißstände im Interesse der Belegschaft abzubauen. Wenig dankbar allerdings zeigt sich dafür das Unternehmen. Ganz im Gegenteil: Allzu häufig musste sich der Betriebsrat vor Gericht sein Mitbestimmungsrecht holen. Und das schien den Brüdern Ihle nicht sehr zu behagen.

 

Dann kam der Coup: Mithilfe eines externen IT-Dienstleisters spielte man auf den Computer im Betriebsratsbüro eine Spitzelsoftware auf – natürlich ohne das nötige Einverständnis des Bespitzelten einzuholen – und glaubte nach der Auswertung der Daten, man habe den Vorsitzenden des Gremiums ertappt. Er habe sein Arbeitszeitkonto manipuliert. Mit diesem Vorwurf – bewiesen war nichts – sprach das Unternehmen eine sogenannte Verdachtskündigung aus (wie die Gewerkschaft NGG berichtete). Irritierend bei dieser Argumentation: Der Vorsitzende hätte keinerlei Vorteile von den unterstellten Manipulationen. Als freigestellter Betriebsrat bezieht er ein Festgehalt, unabhängig von seiner Anwesenheit im Betrieb. Warum also hätte der Mann die Daten überhaupt fälschen sollen? Mindestens einmal sind übrigens Daten zu einem Zeitpunkt manipuliert worden, an dem der Betriebsratsvorsitzende sich nachweislich im Ausland aufgehalten hatte – ohne jede Zugriffsmöglichkeit auf den Computer. Das wirft natürlich einige Fragen auf, wer denn da von wo gedreht hat…
Der Fall jedenfalls landete, wie kann es anders sein, beim Arbeitsgericht. Das hat am 4. Oktober erneut verhandelt und sein Urteil gesprochen. Der Antrag des Unternehmens, das Gericht möge der Entlassung des Betriebsratsvorsitzenden zustimmen, wurde zurückgewiesen. Ein voller Erfolg für den Kollegen und seine UnterstützerInnen. Die Spitzelsoftware im Betrieb, mit der Beschäftigte ausspioniert werden sollen, trug also nicht die erhofften Früchte. Im Gegenteil: statt eines gläsernen Betriebsrats hat es nun Glasbruch gegeben – in der Führungsetage. In einem einem ausführlichen Artikel in der Zeitschrift “Computer und Arbeitswelt“, cua-web.de, hat der Bremer Arbeitsrechtler Prof. Wolfgang Däubler im Janaur 2013 den Vorgang und auch das Urteil bewertet.

 

Und wenn die Landbäckerei Ihle nun noch die nicht unberechtigte Angst vor dem Verlust des guten Namens und möglicher Umsatzeinbußen ernst nimmt, die einige Verkäuferinnen umtreibt, sollte sie schleunigst einen Schlussstrich unter das Spitzel-Kapitel ziehen und das gesamte Kündigungsverfahren gegen den BR-Vorsitzenden zurück nehmen. Vielleicht sogar mit dem Ausdruck des Bedauerns – das hätte jedenfalls Stil.