10. April 2016

Neue EU-Richtlinie: Alles ist „Geschäftsgeheimnis“

(gk) Der Verrat von Geschäftsgeheimnissen ist in allen Ländern der EU strafbar und oft umstritten, z.B. wenn Whistleblower Dokumente von öffentlichem Interesse an die Presse weiter reichen. Ein Beispiel dafür sind die “Luxemburg-Leaks“, die massive Steuerhinterziehung zahlreicher Konzerne und die Beihilfe des Luxemburgischen Staates öffentlich gemacht haben. Der französische Journalist und seine interne Quelle werden dafür strafrechtlich verfolgt.

 

Auf Betreiben zahlreicher europäischer Arbeitgeberverbände und Konzerne hat die EU-Kommission 2013 eine Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vorgelegt, deren endgültige Version am 14.April im EU-Parlament abgestimmt wird. Sie wollen damit einen EU-Mindeststandard etablieren, der dann von den Parlamenten der Mitgliedsstaaten noch in nationales Recht umgesetzt werden soll und Spielraum läßt für eine sehr weitgehende Interpretation von „Geschäftsgeheimnissen“ und drastischen Haft- und Geldstrafen zur Folge haben kann. In einem Akt vorauseilendem Gehorsams hatte die französische Regierung im Januar 2015 bereits einen entsprechenden Gesetzesvorschlag veröffentlicht und nach heftigen Protesten vor allem von Journalisten wieder zurückgezogen: bis zu drei Jahren Haft und 375.000 Euro Geldstrafe sollten demnach für die Weitergabe von „Geschäftsgeheimnissen“ verhängt werden können.

 

Viele Gewerkschaften in Europa, aber auch Journalistenverbände, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen fordern die Abgeordneten des EU-Parlaments nun dazu auf, gegen die Richtlinie zu stimmen. Zwar wurde der nun abzustimmende Text im Vergleich zum Entwurf von 2013 an einigen Stellen modifiziert. Aber das geht unter anderem dem Deutschen Gewerkschaftsbund nicht weit genug. Sie habe nichts „gegen den Schutz vor Industriespionage“, erklärte Annelie Buntenbach vom DGB-Vorstand am 7.April auf einer Pressekonferenz der europäischen Grünen. Aber die vorliegende EU-Richtlinie schieße weit über dieses Ziel hinaus und überlasse die Entscheidung darüber, was nun ein Geschäftsgeheimnis sei, den Unternehmern. So würde das bisherige Rechtsverständnis in der Bundesrepublik auf den Kopf gestellt. Hierzulande gebe es „objektive Kriterien“, wo die Unternehmen in einem Rechtsstreit ein „legitimes Schutzinteresse“ nachweisen müssten, wenn sie etwas als „Geschäftsgeheimnis“ deklarieren. Das falle nun weg. Als Beispiel nannte Buntenbach den Abgasskandal, den VW nach der Definition der EU-Richtlinie einfach zum „Geschäftsgeheimnis“ erklären könne.

 

Aber auch die Arbeit von Work Watch und anderen Organisationen könnte von der Richtlinie betroffen sein. In einer online-Petition, die vom Vorsitzenden des Europäischen Gewerkschaftsbundes und zahlreichen Gewerkschaftsverbänden aus Italien, Frankreich, Belgien und Spanien, sowie dem Chaos Computer Club und der Internationalen Journalistenfederation erstunterzeichnet ist, wird u.a. davor gewarnt, dass die Veröffentlichung und Weitergabe von „Informationen über strategische Unternehmensentscheidungen, Veräußerungen, Übernahmen, Sozialpläne, Standortwechsel, Auslagerung von Geschäftstätigkeiten an Tochter- und Subunternehmen“ dann dem Risiko strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt seien.