25. Januar 2017

“Klatsche für Naujoks und Wallisch”

Zufriedene Gesichter auf Seiten der Kläger, versteinerte Mienen auf der Bank der Marseille-Kliniken. Die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm wies die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom Juni 2016 zurück und gab dem Betriebsrat recht, Beschwerde ausgeschlossen.

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Warum sitzen wir hier überhaupt, hatte ein Beisitzer entnervt in Richtung Arbeitgeberbank gefragt. Doch Peter Wallisch, der statt Helmut Naujoks die Interessen des Hamburger Konzerns vertrat, schwieg. Die Marseille-Kliniken betreiben in dreizehn Bundesländern insgesamt sechzig Pflegeeinrichtungen mit über achttausend Betten und knapp fünftausend Mitarbeiter-innen. Aufsichtsrats-Chef Ulrich Marseille und der Vorstand sorgten mit ihrem Geschäftsgebaren in den vergangenen Jahren wiederholt für Schlagzeilen, zuletzt mit einer Kaution für den inhaftierten Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff, der 5 Jahre im Aufsichtsrat der Marseille-Kliniken saß.

 

Aus der Akte erschlossen sich den Richtern des LAG die Gründe für die Kündigung nicht, zwischen den Zeilen schon. Denn seit zweieinhalb Jahren versuchen Vorstand und Geschäftsführung von Marseille die beiden einzigen Betriebsräte der Holding zu zerschlagen, weil sie sich der Einführung eines digitalen Zeiterfassungssystems widersetzen. Sie befürchten Nachteile für die Beschäftigten und verlangen nichts Unmögliches, eine Betriebsvereinbarung zum Datenschutz. Das war der Chefetage zu viel. Der Konzern soll zukünftig schließlich mit der Entwicklung, Herstellung und dem Vertrieb von Software im ambulanten und stationären medizinischen Bereich Geld verdienen. Da sind Betriebsräte, die den Datenschutz für Beschäftigte im Blick haben, offenbar im Weg. Das Management engagierte den berüchtigten Düsseldorfer Anwalt Helmut Naujoks und seitdem herrscht in zwei Altenheimen Krieg. Es folgten Abmahnungen, nächtliche Drohanrufe, Observationen, Kündigungen. Doch Helene B., Betriebsratsvorsitzende des Bochumer Pflegeheims Barbaraneum, sowie Jörg K., Betriebsratsvorsitzender des Herner Pflegeheims Flora Marzina, und dessen Stellvertreter Juri S., gegen die sich die Angriffe bisher richteten, bewiesen Stehvermögen und ließen sich nicht einschüchtern. Der Großteil ihrer Kollege-innen und die Gewerkschaft verdi steht hinter ihnen und so waren die Zuschauerbänke im Saal des Landesarbeitsgerichts bis auf den letzten Platz besetzt.

 

„Eine Klatsche für Naujoks und Ulrich Marseille“, kommentierte eine Altenpflegerin das Urteil. Doch es bleibt ein Zwiespalt. Im Verfahren um die Kündigung der beiden Kollegen des Flora Marzina bahnt sich nämlich ein Vergleich an. Ihre Jobs waren outgesourct und die Hausmeister im Januar 2016 „betriebsbedingt“ gekündigt und freigestellt worden. Seitdem halten sie sich mit Arbeitslosengeld kanpp über Wasser. Obwohl dieser Coup vor Gericht nicht zog, hatte Naujoks von Anfang an unmissverständlich damit gedroht, notfalls vors Bundesarbeitsgericht zu ziehen. Das dauert und bedeutet für die beiden engagierten Kollegen Hartz 4. Deshalb ist die Entscheidung, einen Vergleich anzustreben, nachvollziehbar. Ob sich das Management die Hände reiben kann, ist längst nicht ausgemacht, denn für die entlassenen Hausmeister sind Kolleginnen aus der Pflege nachgerückt, so dass der Betriebsrat weitermachen kann.