4. Mai 2018

Fliegendes Personal: Legales Bossing

(gk) Nach einer Anhörung folgte das Frankfurter Arbeitsgericht am 18.April den Argumenten der Geschäftsführung der Fluglinie Sun Express und untersagte die Wahl eines Betriebsrates für die 1300 Beschäftigten. Mitte März hatten die Mitarbeiter auf einer Betriebsversammlung bereits einen dreiköpfigen Wahlvorstand gewählt. Eigentlich sollte in einem Betrieb dieser Größe, der zu gleichen Teilen der Lufthansa und Turkish Airlines gehört, die Gründung eines Betriebsrates kein Problem sein.

 

Aber hier greift eine Sonderregelung für das fliegende Personal: “Für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen kann durch Tarifvertrag eine Vertretung errichtet werden,” lautet der Paragraf 117 des Betriebsverfassungsgesetzes. Der Paragraf gilt seit 2001. In der zweiten Häfte der 1990er Jahre kam es zur vollständigen Privatisierung der Lufthansa und der Gründung zahlreicher neuer Fluglinien. Die Ausnahmeregelung wird vordergründig mit der angeblich fehlenden Anbindung des mobilen Personals an einen Ort und  damit einen Betriebsrat begründet. Tatsächlich dürfte sie Produkt intensiver Lobbyarbeit gewesen sein. Immer wieder bemühen jedenfalls verschiedene Fluglinien dieses Sondergesetz, um die Einrichtung eines Betriebsrates zu verhindern, u.a. Easyjet und Aerologic, ein Joint Venture von DHL und Lufthansa Cargo (die Muttergesellschaft ist noch tarifgebunden). Ohne Tarifvertrag kein Betriebsrat, lautet die Begründung der Fluggesellschaften. UnFluggesellschaften Privatisierungd einen Tarifvertrag lehnt Sun Express kategorisch ab.

 

Viele Rechtsexperten und der DGB bezweifeln, dass der Paragraf 117 europarechtskonform ist. In der EU-Mitbestimmungsrichtlinie wird nur die Hochseeschifffahrt als Ausnahme genannt, nicht die Luftfahrt.

 

Fachanwälte wie Martin Hensche aus Berlin zweifeln auch die gängige Interpretation des Paragraf 117 durch Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichte an. Im­mer­hin lasse sich das Gesetz von sei­nem Wort­laut her auch so ver­ste­hen, “dass dem Ar­beit­ge­ber nur die Möglich­keit ei­nes ta­rif­li­chen Re­ge­lung ge­ge­ben wird, d.h. dass ei­ne be­trieb­li­che In­ter­es­sen­ver­tre­tung des Flug­per­so­nals auf ge­setz­li­cher Grund­la­ge (wenn es ei­nen sol­chen Ta­rif­ver­trag nicht gibt) nicht aus­ge­schlos­sen wird.” Weder dieser, noch der Argumentation der Gewerkschaften ist bisher ein Gericht gefolgt. Ein höchstinstanzliches Urteil des Bundesarbeitsgerichts im Fall von Aerologic steht noch aus. Im Fall von Sun Express haben die Pilotengewerkschaft VC Cockpit und die der Flugbegleiter, UFO, angekündigt, vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht in Berufung zu gehen.