Ruhrbahn: Betriebsrat unter Druck – Sparkurs auf Kosten von Beschäftigten und Kunden

Wer sich für die Interessen der Belegschaft einsetzt, braucht Mut und Stehvermögen. Der Betriebsratsvorsitzende der Ruhrbahn, zahlt einen hohen Preis für sein gewerkschaftliches Engagement. Um satte 1.600 Euro brutto kürzte das Unternehmen ihm sein Gehalt.

 

Der Hintergrund des Konflikts: Kurz vor der Fusion der Essener Verkehrs AG und der Mülheimer Verkehrsgesellschaft zur Ruhrbahn im September 2017 genehmigten die Aufsichtsräte der beiden kommunalen Verkehrsbetriebe den beiden Geschäftsführern eine satte Gehaltserhöhung auf 250.000 Euro im Jahr plus Boni. Während der Betriebsratsvorsitzende der Essener Verkehrs AG dazu schwieg, sparte sein Mülheimer Kollege nicht mit Kritik und äußerte sich auch öffentlich zu dem Skandal. Die Empörung über die erhöhten Gehälter der beiden Geschäftsführer schlug an der Ruhr wochenlang hohe Wellen, zumal dem neuen Verkehrsbetrieb ein strikter Sparkurs verordnet wurde.

 

Einen Tag vor der Betriebsratswahl der neuen Gesellschaft im Januar wurden 160 Briefe anonym an einen internen Verteiler verschickt. Darin wurde der Mülheimer Betriebsratsvorsitzende, der zur Wahl antrat, beschuldigt, ein zu hohes Gehalt zu kassieren. Von Vorteilsnahme war die Rede. Ein Schelm, wer Böses und dabei an eine Retourkutsche denkt. Schließlich hatte der Betriebsrat sich nicht selbst eingruppiert, sondern die Geschäftsführung, die ihn wie einen Abteilungsleiter eingruppierte. Den Job konnte er wegen seiner Freistellung als Betriebsrat nicht ausüben. Die Gewerkschaft verdi stellte sich hinter ihn und wies die Beschuldigungen als absurd zurück.

 

Trotz der Verleumdungskampagne wurde die Liste, auf der er kandierte, im Januar 2018 stärkste Kraft im neu gewählten Betriebsrat der Ruhrbahn und Vorsitzender. Kein Wunder, schließlich hatte der Betriebsrat für die Beschäftigten der Mülheimer Verkehrsgesellschaft über Jahre gute Arbeit geleistet und bessere Arbeitsbedingungen wie in Essen durchsetzen können und machte sich im Zuge der Fusion dafür stark, die Ruhrbahn nicht auf Kosten der Belegschaft und der Kundschaft kaputt zu sparen. Im Frühjahr 2018 kam es dann zum unvermeidlichen Konflikt um eine Betriebsvereinbarung zu Arbeitszeiten und Schichtlängen. Letztlich ging es um die Höhe des Verdiensts. Der Arbeitgeber wollte zwei Millionen Euro jährlich über das Fahrpersonal einsparen. Der Betriebsrat setzte sich für eine faire Betriebsvereinbarung ein, wie sie bei der Fusion zugesichert worden war. Doch der Ton war vergiftet. „Die Angriffe auf den engagierten Betriebsratsvorsitzenden dienen dazu, ihn einzuschüchtern und seine Arbeit zu behindern“, vermutet verdi-Sekretär Rainer Sauer. Die Geschäftsführung setzte sogar noch einen drauf und versucht, weitere aktive und konfliktbereite Betriebsräte durch willkürliche Einkommenskürzungen einzuschüchtern. Angeblich hätten die Betroffenen in der genannten Arbeitszeit keine Betriebsratsarbeit gemacht und somit auch keinen Anspruch auf Lohn. “Die Kollegen sollen mit hanebüchenen Lohnkürzungen auf Linie gebracht werden”, meint Sauer. Wenn Fehler bei der Gehaltsabrechnung gemacht wurden, sei dafür die Unternehmensführung verantwortlich. Wer sonst?

 

Doch das Essener Arbeitsgericht gab der Geschäftsführung im Streit um die Gehaltskürzung recht. Obwohl die Richterin in der mündlichen Verhandlung erklärt hatte, dass ein freigestellter Betriebsrat entsprechend seiner Tätigkeit und seiner beruflichen Entwicklung vergütet wird und in dem Fall nicht von Begünstigung gesprochen werden könne, kam sie zu einem anderslautenden Urteil. Es ergebe sich nicht automatisch, dass ein Sachbearbeiter drei Entgeltgruppen höher eingestuft werde, sagte sie. Und ein anderer Arbeitsplatz sei ihm als freigestellter Betriebsrat nicht zugewiesen worden. Eine Höherstufung seines Gehaltes wäre somit eine unzulässige Begünstigung. Sogar Gehaltsprünge von bis zu sechs Entgeltgruppen sind bei der Ruhrbahn nichts Ungewöhnliches, berichten Betriebsräte, die den Betriebsratsvorsitzenden beim Arbeitsgericht begleiteten.

 

Für den Betriebsratsvorsitzenden ist das Urteil niederschmetternd. So verzichtete das Gericht ganz darauf, Zeugen zu hören, die seine Darstellung stützen. Trotz des enttäuschenden Urteils konnte sich die Geschäftsführung vor Gericht jedoch nicht vollständig durchsetzen. Die Klage der Ruhrbahn auf Rückerstattung von 11.000 Euro, die der Betriebsrat angeblich zu viel kassiert hat, wies das Arbeitsgericht ab. Der Betriebsratsvorsitzende kann dieses salomonische Urteil nicht nachvollziehen und wird Beschwerde einlegen. Schließlich geht es nicht nur ums Geld: „Hier geht es ums Prinzip.“

 

Bei der Ruhrbahn steht bereits das nächste Sparprogramm auf der Tagesordnung. 9,5 Millionen Euro will der Vorstand streichen. Sparen bedeute eine Abwärtsspirale: weniger Sicherheit, weniger Service, noch mehr Ausfälle und größere Unzufriedenheit der Kunden, sagt Rainer Sauer. Die Probleme bei der Ruhrbahn haben strukturelle Ursachen. Denn der Individualverkehr genießt – der Luftverschmutzung und spürbaren Klimaveränderung zum Trotz – Vorfahrt gegenüber dem öffentlichen Personenverkehr.