31. März 2022

Flughäfen: Erst Pandemie, dann Bossing

  • (gk) Viele Unternehmen an den Flughäfen sind während der Pandemie in die Krise geraten und haben auf Kurzarbeit umgestellt. Jetzt läuft der Betrieb wieder an, aber die Spuren der Pandemie schlagen sich in den Bilanzen nieder. Der ökonomische Druck ist groß – und soll anscheinend auf die Beschäftigten abgewälzt werden. Die Streiks im März für bessere Tarife sind ein Ausdruck davon – am Verhandlungstisch wollten die Arbeitgeber keine ausreichenden Zugeständnisse machen. Ein weiterer Hinweis darauf sind die zahlreichen Fälle des Betriebsratsmobbings und Union-Busting. Allein am Frankfurter Flughafen sind work-watch drei Fälle bekannt, die sich innerhalb der letzten Wochen ereigneten. Über die Versuche beim Autoverleiher Sixt, eine Betriebsratsgründung zu verhindern, haben wir bereits berichtet, ebenso über Ermahnungen und Verdachtskündigungen gegen Betriebsräte, die erfolgreich gegen Lohnbetrug beim Catering-Unternehmen Gate Gourmet vorgegangen waren.

    Mit besonderer Schärfe wird seit einiger Zeit auch ein Konflikt bei FraCare Services ausgetragen, ein gemeinsames Tochterunternehmen der Fraport AG (51%) und der Deutsche Lufthansa AG (49%). Dort sind die Umsätze allein im ersten Corona-Jahr um mehr als ein Drittel auf etwa 20 Millionen Euro eingebrochen.

    Die knapp 600 Beschäftigten betreuen behinderte und mobilitätseingeschränkte Fluggäste. Vor Corona konnten das in Stoßzeiten bis 4000 solcher Fluggäste am Tag sein. Drei Listen kandidieren nun für die turnusmäßigen Betriebsratswahlen, die bei FraCare Services vom 5.-7.April terminiert sind. Zwei der Listen treten im Namen der Dienstleistungsgewerkschaft verdi auf, dabei kann es laut Gewerkschaftsstatut nur eine geben.

    Wie hoch der Leidensdruck einiger aktiver Betriebsräte ist, machte bereits im Januar ein Brief der Ehefrau des ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden an die politischen Mandatsträger im Aufsichtsrat deutlich.

    Seit August letzten Jahres finde “Betriebsrat-Bashing in beängstigender Form statt”, so der Brief. Die Geschäftsführerin Bärbel Töpfer, verstärkt durch Uwe Rossa, einen neuen Personalleiter, Anwalt für Arbeitsrecht, drohe mit Kündigungen, bediene sich einer herabwürdigenden Sprache und habe den 13-köpfigen Betriebsrat gespalten. Der Druck sei so groß, dass sich die Verfasserin ernsthaft Sorgen um die Gesundheit ihres Mannes mache, mehrere Kollegen hätten sich bereits krankschreiben lassen. Von einer Intervention des Aufsichtsrates ist seither nichts bekannt geworden.

    Auch auf Aushängen der Dienstleistungsgewerkschaft verdi wurde der Umgang der Geschäftsführung mit einigen der Betriebsräte scharf kritisiert.

    “Anschreien, Beleidigen und Bedrohen” habe die Einzelgespräche charakterisiert, zu denen vor allem vier Betriebsräte zitiert worden seien, die sich für “höhere Eingruppierungen, gute Dienstpläne und Gesundheitsschutz” eingesetzt hätten. Das mache sie bei der Geschäftsführung anscheinend “unbeliebt”, so die Schlussfolgerung. Offensichtlich solle man im Vorfeld der Betriebsratswahlen eingeschüchtert werden. Die Angriffe seien “persönlich sehr belastend”, man hoffe auf die Unterstützung der Kolleg*innen. Schon ein “Schulterklopfen und ein paar aufbauende Worte” seien gut, vor allem aber sollten die Kolleg*innen nicht auf “Fake News” hereinfallen, die von der Geschäftsführung und arbeitgebernahen Betriebsräten lanciert würden. Der Aushang endet mit dem Vorschlag, eine externe Mediation mit Hilfe eines Streitschlichters einzuleiten. “Trotz der persönlichen Angriffe müssen sich Betriebsrat und Geschäftsführung wieder zusammenraufen”, steht dort am Ende geschrieben.

    Doch statt einer Mediation folgte am 1. Februar die Abwahl des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters, unterstützt von einer knappen Mehrheit des Gremiums. Nur sieben Betriebsratsmitglieder waren dabei anwesend. Die Betriebsräte, die für die Abwahl stimmten, hätten schon zuvor immer wieder “Vorlagen im Sinne des Arbeitgebers zugestimmt, [..] meistens zum Nachteil der Beschäftigten”, so ein weiterer Aushang mit verdi-Briefkopf.

    “Es gibt keine Nähe des Betriebsrates zum Arbeitgeber oder der Geschäftsleitung”, konterte die siebenköpfige Mehrheit mit einem eigenen Aushang wenige Tage später, gedruckt auf einem Papier mit dem Logo des Unternehmens, der work-watch vorliegt. Auch sie seien größtenteils verdi-Mitglieder. Es folgt eine lange Liste mit vermeintlichen Versäumnissen des alten Betriebsratsvorsitzes: keine “ordnungsgemäße” Betriebsratssitzung seit September 21, Nichtbeachtung von beantragten Tagesordnungspunkten, Erklärungen im Namen des Betriebsrates “gegenüber Dritten” ohne Abstimmung im Gremium, usw.

    Nun tobt der Wahlkampf bei FraCareS. „Die echten Verdianer+innen – Follow us“, wirbt jetzt die BR-Mehrheit auf der Liste 3 für sich. Der verdi-Liste 1 werfen sie vor, sie diene nur dem ehemaligen BR-Vorsitzenden und seinem Stellvertreter – ohne dafür irgendwelche Belege anzuführen. „Achtung – auf der aktuellen verdi Liste steht zwar verdi drauf, aber es ist keine verdi drin“, so ihr Aufruf an die Kolleg*innen.

    Doch davon kann keine Rede sein. Die Liste 1 ist diejenige, die verdi-Sekretär Uwe Schramm in einem Aushang als echte verdi-Liste bezeichnet. Mit den Kandidat*innen der Liste 3 hätte es mehrere Gespräche gegeben, aber bereits vergangenen Dezember hätten sie ihre Bereitschaft auf einer verdi-Liste zu kandidieren, „mit einem klaren Nein beantwortet“. Daraufhin sei am 25.Februar die verdi BR-Liste 1 ohne diese Kolleg*innen „einstimmig beschlossen worden“. Kandidaturen von Mitgliedern auf gegnerischen Listen seien laut verdi-Richtlinien „gewerkschaftsschädigend“ und stellten „einen Verstoß gegen die Mitgliedspflichten“ dar. „Damit ist im Bezug auf die ver.di-Mitglieder der Liste ‚Follow us‘ alles gesagt“, resümiert der zuständige Gewerkschaftssekretär. Die verdi Liste 1 repräsentiert mit 128 Kandidat*innen einen erheblichen Anteil der Beschäftigten von FraCareS.

    Bei FraCareS werde seit einiger Zeit „Betriebsrats-Bashing“ praktiziert, hatte der Sekretär schon im März 2021 in einem Aushang moniert. Die Geschäftsführung verstoße bewusst gegen das Betriebsverfassungsgesetz, das „die Störung und Behinderung der Betriebsratsarbeit untersagt“. Verdi habe im Dezember 2020 nach langen Verhandlungen dafür gesorgt, dass mit Abschluss des „Notlagentarifvertrags für Flughäfen“ die Arbeitsplätze bei FraCareS bis Ende 2023 gesichert sind. „Hierbei hatten wir den Eindruck“, so der Sekretär weiter, „dass die Arbeitgeberseite mit der Arbeitnehmerseite konstruktiv und im Sinne der Beschäftigten an einem Strang zieht“. Zusammen mit seinen Kollegen habe er die Zusammenarbeit als „Neustart“ gesehen, „nach manch schwierigen Diskussionen und Streitigkeiten der Vergangenheit“. Aus seiner Enttäuschung macht er keinen Hehl und beschreibt das Verhalten der Geschäftsführung als „Kriegserklärung“. Die Gewerkschaft stehe auf Seiten der Kolleg*innen und wende sich gegen eine Spaltung der Belegschaft.

    Offensichtlich ist diese Spaltung ein Jahr später erfolgt. Dafür steht auch ein neuerlicher Aushang vom 22.März 2022, in dem die Liste „Follow us“ nun sogar den Wahlvorstand angreift: Er bevorzuge die Liste 1, bestehe überhaupt nur aus Mitgliedern dieser Liste. Dabei haben viele der Beschwerdeführerinnen als Betriebsratsmitglieder den Wahlvorstand vergangenen Oktober selbst mitgewählt, da waren noch gar keine Listen aufgestellt. . Wie tief die Spaltung der Belegschaft tatsächlich geht, werden nun die Betriebsratswahlen zeigen.

 

  • Von einer „Kriegserklärung“ will die Geschäftsführung jedenfalls nichts wissen. In ihrer Antwort auf ein Schreiben von Work Watch e.V. erklärt Bärbel Töpfer, dass FraCareS „zu jeder Zeit die bestehenden arbeitsrechtlichen und betriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben“ einhalte und „weder die Arbeit des Betriebsrates noch die anstehenden Betriebsratswahlen“ behindere oder „die Gesundheit ihrer MitarbeiterInnen“ gefährde. Ausschlaggebend seien „innerbetriebsrätliche Auseinandersetzungen“ und eine „Gruppe von Personen“, die den Wechsel des Betriebsratsvorsitzes „nicht akzeptiert und versucht, einen Machtanspruch innerhalb des Betriebsrats durchzusetzen“. Auf die konkreten Fragen des work-watch Schreibens, wie etwa der zu den Einzelgesprächen und zu der von den ehemaligen BR-Vorsitzenden vorgeschlagenen Moderation, hat die Geschäftsführung nicht geantwortet. Auch auf erneute Nachfrage nicht. “Nach diesseitiger Auffassung haben wir mit Schreiben vom 24.02.2022 [..] vollumfänglich geantwortet”, so die Geschäftsfüherin in einer Mail am 22.3.22.

  • Auch an anderen Flughäfen wird mit harten Bandagen gegen engagierte Betriebsräte vorgegangen: Am Flughafen Nürnberg, der jeweils zur Hälfte dem Freistaat Bayern und der Stadt Nürnberg gehört, sogar mit Hilfe der berüchtigten Anwaltskanzlei Schreiner und Partner.

  • Seit geraumer Zeit zeichnet sich beim BR-Mobbing ein Trend ab: Nur noch wenige Betriebe versuchen, die Gründung eines Betriebsrates an sich zu verhindern. Die meisten Geschäftsführungen sind bestrebt, engagierte und ihnen unbequeme Betriebsratsmitglieder durch willfährige Mitarbeiter*innen zu ersetzen. Möglicherweise wollen sie damit der von der Ampelkoalition geplanten Gesetzesreform zuvorkommen. Bislang ist die Behinderung von Betriebsratsarbeit oder -wahlen ein Antragsdelikt, das mit Gefängnis geahndet werden kann – aber nur verfolgt wird, wenn Betriebsrat oder Gewerkschaft Anzeige erstatten. Künftig soll sie als Offizialdelikt eingestuft werden. Demnach müssten Staatsanwaltschaften künftig gegen Arbeitgeber ermitteln, sobald ihnen ein Fall der Vereitelung oder Manipulation von Betriebsratswahlen, der Behinderung der Gremienarbeit oder der Bevor- oder Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern aufgrund ihrer Funktion bekannt wird. Die Wirksamkeit dieses Gesetzesvorhabens wird stark von der personellen und finanziellen Ausstattung der Institutionen abhängen, die mit der Erfassung und Verfolgung dieser Delikte befasst sind.