9. März 2022

Gate Gourmet Frankfurt gegen BR: Solidarität gefragt

Unterstützt den Kollegen Tekin Malci vor dem Frankfurter Arbeitsgericht am 21.3. 2022, 11:20 Uhr, Saal C 3.10!

Einem Menschen den Koffer zu tragen, ist gewöhnlich keine Untat. Besonders wenn er mehr Koffer dabei hat als Arme.

Gültekin Malci hat geholfen. Aber nicht irgendwem. Sondern einem Rechtsanwalt, der gerade die Rechte einiger Hundert Beschäftigten vor Gericht durchboxt.

Worum geht es?

Der Konflikt ist Jahrzehnte alt. Gate Gourmet bzw. dessen Vorläufer, die Lufthansatochter LSG-Sky, eine Cateringfirma, betrog die Beschäftigten um angemessene Einzahlungen in die betriebliche Rentenversicherung. Das Unternehmen schloss nämlich in der Regel Abruferverträge auf niedriger Stundenbasis ab (z.B. monatlich 40 Stunden) und zahlte auf dieser Stundenbasis auch die Betriebsrentenbeiträge ein. Die Mitarbeiter arbeiteten aber meist 100 und mehr Monatsstunden und wurden bei den Betriebsrentenversicherungsbeiträgen um die Plusstunden betrogen. Riesige Geldmengen kamen so zusammen, die LSG-Sky bzw. ihr Rechtsnachfolger Gate Gourmet sparte. Schlicht und einfach Versicherungsbetrug.

Nach dreieinhalb Jahre währenden Prozessen siegten die Beschäftigten und ihr Anwalt vor dem Bundesarbeitsgericht (Einzelfallentscheidung, 3AZR 618/19). Gate Gourmet musste tief in die Tasche greifen und die vorenthaltenen Betriebsrentenabgaben nachzahlen.

Diese Niederlage hat das Unternehmen anscheinend den Aktivisten im Betrieb nicht verziehen.

Am 21. März 2022 muss sich ein Betriebsratsmitglied, Gültekin Malci, gegen eine Ermahnung vor Gericht zur Wehr setzen (11:20 Uhr, Saal C 3.10).

Folgendes berichtet der Kollege Malci:

Nachdem das rechtskräftige Urteil bei unserem Juristen Dr. Kiourtsoglou angekommen ist, haben weitere Mitarbeiter (bis jetzt 260) geklagt. Am 01.12.2021 fand der Gerichtstermin von 120 Mitarbeitern vor dem Arbeitsgericht Frankfurt statt. Herr Kiourtsoglou hatte mich, Özkan Akgül und Harald Fahrbach (Betriebsräte) am Vorabend gebeten, ihn am Frankfurter Hauptbahnhof abzuholen. Herr Kiourtsoglou kam aus Düsseldorf und hatte mehrere Koffer dabei. Weil die 120 Mitarbeiter alle verschiedene Arbeitszeiten hatten, musste er alle Ordner mitnehmen. Ich hatte an diesem Tag Dienst und habe meine Betriebsratstätigkeit unterbrochen und mich ordnungsgemäß ausgestempelt. Nach dem Gerichtstermin habe ich meine Arbeit aufgenommen und ich habe ordnungsgemäß eingestempelt. Wir haben die Koffer abgeholt und Herrn Kiourtsoglou zum Termin begleitet. Nach dem Termin haben wir Herr Kiortsoglou zu den Zügen begleitet.

Daraufhin hat mir die Firma eine Ermahnung erteilt und diese so begründet, ich hätte mich nicht ordnungsgemäß verhalten. Aber ich bin nach §38 BetrVG freigestellt und entscheide nach dem Gesetz selbst, wann ich in der Firma für unaufschiebbare Betriebsratsarbeit zu erscheinen habe. Das ist auch eine betriebliche Übung, die unter Betriebsräten seit Jahrzehnten so gelebt wird.“

Der Versuch, Tekin Malci einzuschüchtern, ist kein Einzelfall. Nur wenige Wochen vor der Betriebsratswahl erhielt ein weiteres Betriebsratsmitglied, Özkan Akgül, der die Klagen wegen der Betriebsrente erstritten hat, eine Verdachtskündigung. Sie war aus dem hohlen Bauch heraus ausgesprochen worden. Als der Anwalt der Kollegen, Dr. Kiourtsoglou, sich einschaltete, wurde die Sache fallen gelassen.

Tekin, Özkan und weitere fünf Kollegen im 15-köpfigen Betriebsrat haben sich für die kommende Wahl zusammengeschlossen. Sie verweisen auf große Erfolge in der Vergangenheit, auf die Betriebsrenten für die Abrufer, auf die Durchsetzung von Vollzeitverträgen eines ersten Abrufers vor dem Landesarbeitsgericht und auf die steigenden Lohnnebenleistungen (Urlaub und Krankenpauschale), auf der Basis der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, die ebenfalls gerichtlich erstritten wurden.


Auf dem Programm der Kollegen steht für die Zukunft:

– Durchführung von Gefährdungsanalysen
– leidensgerechte Arbeitsplätze

– Durchsetzung des Beschwerderechts nach § 84 BetrVG
– Überlastungsanzeige.


Kämpferische Betriebsräte sind Arbeitgebern ein Dorn im Auge. Wohl daher die Einschüchterungsversuche gegen Özkan und Tekin in letzter Minute.